Wie Brands emotionale Märkte nutzen

Wie Brands emotionale Märkte nutzen

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Von Abenteuer bis Selbstdarstellung

Mitten drin – unsere Informationsgesellschaft ist dabei, sich in etwas zu verwandeln, das die Geschichten hinter Produkten und Dienstleistungen verstärkt wertschätzt. Was das heißt? Über kurz oder lang wird das Bedürfnis nach emotionalem Reichtum über das Verlangen nach materiellem Wohlstand dominieren. Etwas, das Zukunftsforscher Rolf Jensen schon 1999 in seinem „Dream Society“-Szenario als Kommunikation phantasievollen Storytellings entwarf. Mit Märkten, die Konsumenten bei spezifischen Emotionen abholen: Hier liegt vorn, wem es in materiell übersättigten Gesellschaften gelingt, Produkte mit emotionalem Mehrwert zu generieren.

Perfekt informiert auf Sinnsuche gehen

Emotion ist Kaufmotivator – neben Markenbewusstsein, Alleinstellungsmerkmal, Wert und Verfügbarkeit. Jensen, Leiter eines der größten Zukunfts-Thinktanks weltweit, dem Copenhagen Institute of Future Studies (CIFS), entwickelt Business-Strategien für internationale Unternehmen. Und ist überzeugt: So sehr die Informationsgesellschaft das 20. Jahrhundert prägte – sie ist Geschichte. Sobald wir durch perfekte Automatisierung von IT-Abläufen faktisch an alle Informationen gelangen, entsteht Raum für Neues, über pure Daten und Fakten hinaus. Also begibt sich Jensens “Dream Society”, fünf Jahre vor Facebook und Social Networking, auf Sinnsuche. Vision: Eine postmaterialistische Welt, die Storys und Vernetzsein als Währung nutzt. Konkret identifizierte Jensen 6 aufkommende Märkte – von Abenteuer, Gemeinschaft, Care, Selbstdarstellung, Seelenfrieden und Überzeugung.

Märkte emotionaler Befriedigung nutzen

Unternehmen wie TOMS oder Warby-Parker tun es – und spenden einen festen Prozentsatz ihrer Gewinne an Bedürftige. Warum sie so erfolgreich sind? Nicht, weil sie so menschenfreundlich sind. Nicht, weil ihre Produkte die Konkurrenz um Längen schlagen. Sondern, weil ihr größtes Kapital plastisch vermittelte Emotion ist: Hier kaufen, heißt Gutes tun und sich gut fühlen. Unbezahlbar als Zugabe in übersättigten Zeiten, die neue Bescheidenheit zum Luxus avancieren lassen: Wer schafft es, nicht mehr als 100 Dinge zu besitzen? Bingo. Shoppinglust hin oder her, am Ende heißt das Ziel emotionale Erfüllung, selbst wenn uns Unterschiedliches motiviert: Nicht jeden erfüllt es, Gutes zu tun, weil er lieber Abenteuer erlebt. Jensens 6 emotionale Märkte eröffnen Unternehmen die Möglichkeit, diesen Drang nach emotionaler Befriedigung gezielt für sich zu nutzen. Die Zeiten, als der Erfolg von Markenbotschaften daran gemessen wurde, Eskimos Eisschränke zu verkaufen, sind vorbei – nur authentische Problemlöser erfahren nachhaltige Akzeptanz.

Märkte der Emotionen: Abenteuer und Gemeinschaft

Was sind das für Leute, die sich auf dem Markt für Abenteuer tummeln? Man brennt für alles, was das Etikett Outdoors trägt, vom Mountainbike über Helmkamera(s) und Videos Gleichgesinnter bis zu Reisen und Zeitschriften. Off-Road-Autos bringen an den Zielort, Zelte und passende Lebensmittel sorgen dafür, dass man bleibt. Motivation: Sich lebendig fühlen – von Nike bis Canon. Brands, die dieses Gefühl, diese typische Atmosphäre stimmig vermitteln, bleiben im Kopf – mehr davon!

Du bist nicht allein! sagt der Markt für Gemeinschaft, Kontakte, Liebe und Freundschaft. Und bedient alle, die ihre Erfüllung in ausgiebigem Vernetzen finden. Mehr noch: Seine Markenbotschaften ermutigen, sich gesellschaftlich zu engagieren – wie die bekannte Dove-Kampagne, die einen Marketing-Spieß umdrehte: Statt Kundinnen zum Kauf von Produkten aufzufordern, die den Finger auf die Wunde körperlicher Unvollkommenheiten legten, vermittelte Dove: Ihr seid schon schön – dann fühlt euch auch so! Wer zahlt dafür nicht gern?

Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit bedienen

PC oder Mac? Lautete sinngemäß die Frage einer einschlägigen Apple-Kampagne zum Start des neuen Jahrtausends. Das bin ich!, spricht die Stimme der Selbstdarstellung, denn die Dinge, mit denen wir uns umgeben, definieren unsere Identität. Stolz befeuert den Kauf exklusiver Marken. Noch raffinierter, werben Unternehmen wie Hyundai mit Erschwinglichkeit: Doch, ich kann auch mehr bezahlen, aber gebe mich trotzdem bewusst bescheiden! Porsche bedient das Bedürfnis nach urwüchsiger Befriedigung und Geltung, indem es seine Fahrer Cabrios mit Gartenerde beladen lässt. Botschaft: Natürlich kann ich mir den Gärtner leisten, aber …

Kaum zu glauben, aber auch schneller Technikwandel macht Angst. Kunden im Markt für Seelenfrieden und Sicherheit schätzen als beruhigend, was sich nicht ändert! Man reist in die „gute alte Zeit“ und bewundert Traditionsunternehmen – Bollwerke, die dem Wandel unbeeindruckt standhalten. Wie das Familienunternehmen Dr. Oetker, dessen Label sich im Laufe der Jahrhunderte kaum veränderte, wenngleich sich der einstige Puddingfabrikant längst zum global aufgestellten Weltkonzern gemausert hat. Oder Manufactum, dessen Produkte sprichwörtlich in eine Zeit versetzen, in der alles handgemacht war. Brands, die hier antreten, seien aber vor kritischen, nach Authentizität hungernden Konsumenten gewarnt: Nur per Plastiketikett zu suggerieren, ein Käse sei per Hand im tiefen Klostergewölbe geschöpft worden, genügt kaum.

Märkte für Kümmerer und Überzeugungstäter

I care!, sagt der Markt für Menschen, die sich gern kümmern, etwa um Kinder und Familie – oder sich diese Zuwendung durch andere wünschen. Der Dank: Ein warmes Gefühl. Pedigree erkannte diesen Markt früh für sich – und ersetzte funktionale Botschaften durch emotionale. Natürlich bewirbt der Hersteller sein Hundefutter weiter als gesund – aber machte es zu einem Produkt für ausgewiesene Hundeliebhaber, auf allen Marketing-Ebenen.

Last but not least: Soziale Netzwerke wie Twitter funktionieren unmissverständlich als Markt für Überzeugungen – und vereinen gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Echtzeit-Content informiert in Lichtgeschwindigkeit,und wo jeder Teil der Story ist, gelingt Identifikation perfekt. Quizfrage: Was haben Twitter und die Eier freilaufender Hühner gemeinsam? Richtig, den Markt der Überzeugungen. Schließlich verkaufen sich tierfreundliche Frühstückseier deutlich besser – nicht nur in Jensens Dänemark.

Trend: Für Erlebnisse zahlen

CEOs mit Begeisterung für diese Strategie schlägt Jensen vor, ihr Unternehmen wie einen Themenpark zu denken. Nacktes Produkt oder nackte Dienstleistung sind fast austauschbar, das Alleinstellungsmerkmal individueller Erfahrungswelten dagegen nicht. Künftig zahlen Kunden für die Welten, die Unternehmen erfolgreich um Produkte herumbauen – also für Erlebnisse, an die man sich erinnert. Denn Informationen lassen sich automatisieren, Gefühle nie. Passendes Motiv erfolgreich angezapft? Glückwunsch – diesen Brands gehört die Zukunft!