Argumentation
Argumentation
Argumentation bedeutet allgemein Beweisführung oder Begründung. Wer Kunden überzeugen will, muss argumentieren können. Die Überzeugungskraft eines Verkäufers hängt davon ab, was er sagt (Inhalt der Argumente), wie er was ausdrückt (Form der Argumente) und wann er was sagt (Reihenfolge der Argumente). Der Inhalt sowie die Form und Reihenfolge der Argumente sind ihrerseits davon abhängig, gegenüber welchem Kunden sie genannt werden (-->LASSWELL-Formel). Bei der Argumentation geht es also insgesamt um folgende Frage: Was soll wie und wann zu wem gesagt werden?
Inhalt der Argumente
Im Prinzip gibt es zehn Möglichkeiten, inhaltlich zu argumentieren:
1. Produktorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit den Eigenschaften des Produktes.
2. Serviceorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit dem Umfang und der Qualität der Serviceleistungen.
3. Herkunftsorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit der geografischen und/oder betrieblichen Herkunft des Produktes (-->Herkunftsangabe).
4. Kompetenzorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit der -->Kernkompetenz des Anbieters (-->Capability Statement).
5. Konkurrenzorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit komparativen Konkurrenz-Vorteilen (-->KKV).
6. Konditionenorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit niedrigen Preisen, hohen Rabatten und/oder günstigen Zahlungsbedingungen.
7. Kundenorientiert
Der Verkäufer argumentiert im Hinblick auf die Bedürfnisse, Probleme und Wünsche des Kunden.
8. Verkäuferorientiert
Der Verkäufer argumentiert aus seiner Sicht bzw. mit seinen bisherigen Verkaufserfolgen bei dem betreffenden Produkt.
9. Referenzorientiert
Der Verkäufer argumentiert damit, dass andere Kunden mit den angebotenen Produkten oder Dienstleistungen bzw. mit dem Lieferanten oder Dienstleister gute Erfahrungen gemacht haben (sozialer Beweis).
10. Umweltorientiert
Der Verkäufer argumentiert mit den ökologischen Vorteilen seiner Produkte (-->Ökologisches Produkt-Portfolio).
Manche Verkäufer nennen einem Kunden alle Argumente, die sie kennen. Davon ist nachdrücklich abzuraten, weil die einzelnen Argumente in der Regel nicht gleichwertig sind. Es gibt starke und schwache bzw. gute und schlechte Argumente. Wichtiger als die Zahl der Argumente ist deren Qualität.
Die geringste Aussicht auf Erfolg hat die verkäuferorientierte (Ich-) Argumentation. Der Geschmack des Verkäufers und sein bisheriger Verkaufserfolg sind für einen Kunden keine überzeugenden Argumente. Die höchste Überzeugungskraft hat in der Regel die kundenorientierte (Sie-) Argumentation: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Die besten Verkaufsargumente sind diejenigen, welche den -->Bedürfnissen des betreffenden Kunden entsprechen. Die Qualität der einzelnen Verkaufsargumente ist also relativ und subjektiv, d. h. kundenabhängig.
Die Argumente müssen zu den jeweiligen Bedürfnissen passen wie ein Schlüssel zum Schloss. Jedes Schloss hat ein spezifisches Profil, sodass es nur mit einem Schlüssel geöffnet werden kann, der das korrespondierende Profil aufweist. Ein guter Verkäufer untersucht zunächst das Schloss, d. h. die Bedürfnisse des Kunden, indem er -->offene Fragen stellt, aufmerksam zuhört und beobachtet. Danach wählt er jene Schlüssel bzw. Argumente für sein Angebot aus, die zu diesem Schloss passen. Kundenbezogene Argumente sind Schlüssel zum Verkaufserfolg. Um kundenorientiert zu argumentieren, müssen die objektiven Merkmale der Produkte in subjektiven Kundennutzen übersetzt werden. Dazu dienen sogenannte Übersetzungsformeln. Beispiele: „Das bedeutet für Sie ...“, „Damit erreichen Sie ...“, „Dadurch sparen Sie ...“.
Soll man einseitig oder zweiseitig argumentieren? Die einseitige Argumentation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Verkäufer nur Vorteile für den Kunden nennt. Bei zweiseitiger Argumentation werden neben den Vorteilen auch Nachteile erwähnt.
Die meisten Verkäufer verschweigen die Nachteile ihrer Produkte, sie argumentieren also einseitig. Diese Argumentationstechnik entspricht der passiven -->Desinformation. Einseitige Argumentation ist unter folgenden Voraussetzungen zu empfehlen:
Der Kunde hat bereits eine positive Einstellung zu dem Angebot
Der Kunde hat keinen Marktüberblick
Es ist unwahrscheinlich, dass der Kunde nach dem Kauf die Nachteile kennenlernt.
Das Risiko der einseitigen Argumentation bzw. passiven Desinformation besteht darin, dass Mitbewerber dem Kunden die Nachteile nennen und den Verkäufer dadurch unglaubwürdig machen.
Für die zweiseitige Argumentation sprechen folgende Gründe:
Der Verkäufer nimmt dem Kunden den Wind aus den Segeln, indem er dessen mögliche Einwände oder Vorwände vorweg nimmt
Die Glaubwürdigkeit des Verkäufers und der von ihm genannten Vorteile steigt
Der Kunde wird gegen die Beeinflussungsversuche der Mitbewerber „geimpft“ und damit immunisiert
Die Unsicherheit des Kunden vor und nach der Kaufentscheidung (-->kognitive Dissonanz) wird vermindert oder sogar vermieden.
Das Risiko der zweiseitigen Argumentation besteht darin, dass die vom Verkäufer zugegebenen Nachteile für den Kunden bedeutsam sind und deshalb kein Vertragsabschluss zustande kommt. Die zweiseitige Argumentation muss daher gut vorbereitet und optimal dosiert werden, sodass die Vorteile für den Kunden eindeutig überwiegen.
Zweiseitige Argumentation ist vor allem dann zu empfehlen, wenn der Kunde über eine hohe Allgemeinbildung und ein großes Fachwissen verfügt. Die Schlussfolgerung aus der Argumentation sollte man dabei dem Kunden überlassen. Dadurch wird ihm das Gefühl vermittelt, selbst zur Überzeugung und Entscheidung gelangt zu sein.
Form der Argumente
Die Kunden sind keine reinen Verstandesmenschen, sie haben auch Gefühle. Die Argumentation muss deshalb nicht nur logisch, sondern auch psychologisch richtig sein. Die richtige Mischung zwischen Information und -->Emotion hängt vom sogenannten -->Involvement des jeweiligen Kunden ab, d. h. von seiner persönlichen Nähe zu einem Produkt. Wenn sich jemand für ein bestimmtes Produkt interessiert und mit einer Marke liebäugelt, ist er stark involviert. Ein solcher Kunde hat einen hohen Informationsbedarf. Er wendet sich der Argumentation aufmerksam zu und ist an deren Inhalt sehr interessiert. In diesem Fall sollte man überwiegend rational argumentieren, also vor allem den Verstand des Kunden ansprechen. Die Kaufentscheidung wird dann von rechtshändigen (linkshändigen) Kunden in der linken (rechten) Gehirnhälfte getroffen.
Heute sind die konkurrierenden Produkte jedoch weitgehend austauschbar, sodass das Involvement der Kunden gegenüber den einzelnen Produkten gering ist. Ein schwach involvierter Kunde hat einen geringen Informationsbedarf und er interessiert sich kaum für den Inhalt der Argumentation. In diesem Fall sollte man überwiegend emotional argumentieren, d. h. vor allem die Gefühle des Kunden ansprechen. Der Verkäufer kann bei einem solchen Kunden zunächst nur erreichen, dass dieser sein Angebot in den Kreis der relevanten Alternativen aufnimmt und im Entscheidungsprozess berücksichtigt.
Die emotionale Argumentation fördert die Aufmerksamkeit, das Interesse und die Kaufbereitschaft des Kunden (-->AIDA-Formel). Der starke Einfluss emotionaler Reize beruht darauf, dass diese unmittelbar auf das Unterbewusstsein des Empfängers wirken. Die emotionale Beeinflussung entzieht sich daher der verstandesmäßigen Kontrolle durch den Umworbenen.
Wenn man den Kunden emotionalisiert, wird die Kaufentscheidung weitgehend „aus dem Bauch“ getroffen, d. h. in der rechten Gehirnhälfte (bei Rechtshändern). Der Kunde wird in der Regel jedoch nicht zugeben, dass er aufgrund von Gefühlen gekauft hat. Die Kaufentscheidung wird meistens rationalisiert, also verstandesmäßig begründet.
Die Kunden können durch positive und negative Gefühle beeinflusst werden. Die Wirkung von positiven Gefühlen (z. B. Freude) ist in der Regel stärker als die von negativen Gefühlen (z. B. Angst). Wenn man beim Kunden zu viel Angst erzeugt, schwinden der Wille und die Fähigkeit zum Denken, Beurteilen und Entscheiden. Der Kunde wehrt sich gegen den Beeinflussungsversuch, er wird immun gegen die Argumentation (-->Reaktanz). Das praktische Problem besteht hierbei darin, die Angst optimal zu dosieren.
Reihenfolge der Argumente
Die einzelnen Argumente haben in der Regel eine unterschiedliche Qualität. Daher stellt sich die Frage, wann sie genannt werden sollen. Soll das Hauptargument zu Beginn oder am Ende des Verkaufsgespräches präsentiert werden? Die optimale Reihenfolge der Argumente hängt davon ab, ob der jeweilige Kunde stark oder schwach involviert ist.
Ein schwach involvierter Kunde hat einen geringen Informationsbedarf und interessiert sich daher kaum für den Inhalt der Argumentation. In diesem Fall sollte das Hauptargument an erster Stelle genannt werden (-->Primacy-Effekt), um die Aufmerksamkeit sowie das Interesse des Kunden zu wecken und möglichen Gegenargumenten vorzubeugen.
Ein stark involvierter Kunde hat einen hohen Informationsbedarf und interessiert sich daher für den Inhalt der Argumentation. In diesem Fall sollte das beste Argument zuletzt genannt werden (-->Recency-Effekt). Wenn der betreffende Kunde entscheidungsschwach ist, fungiert das Hauptargument als -->Abschlusstechnik (-->Reserveargument-Technik).
Inhalt, Form und Reihenfolge der Argumente
Die Argumentation eines Verkäufers ist optimal, wenn er dem jeweiligen Kunden (wem) den richtigen Inhalt (was) in der richtigen Form (wie) und in der richtigen Reihenfolge (wann) präsentiert (siehe obenstehende Abbildung).
HL